Potenziale aktivieren

Partizipative Gestaltung der Gesundheitsförderung vor Ort

Auf kommunaler Ebene sollten Politik und Verwaltung in enger Zusammenarbeit mit den zivilgesellschaftlichen Akteuren Strategien und Konzepte erarbeiten, um zielgerichtete Angebote zur Gesundheitsförderung älterer Menschen nach und nach zu verbessern und zu optimieren.

Auf welche Weise partizipative Prozesse zur Verbesserung der Angebote zur Gesundheitsförderung in der Kommune gestaltet werden können, wird in den Im Alter IN FORM Qualitätsbausteinen (siehe Qualitätsbaustein 6: Systematische Vorgehensweise) beschrieben.

Der Planungsprozess lässt sich in sieben Schritten der Beteiligung zusammenfassen:

1. Schritt: Daten und Fakten sowie Entwicklungstendenzen zur Situation älterer Menschen ermitteln. Handlungsbedarf auswerten

2. Schritt: Etablierung einer Steuerungsgruppe zur Gestaltung eines partizipativen Prozesses. Zielsetzungen und Vorgehensweise vereinbaren

3. Schritt: Informations- und Öffentlichkeitsarbeit planen und umsetzen zur Information der Träger und Akteure in der Seniorenarbeit und im Gesundheitsbereich sowie der Zielgruppen der älteren Menschen

4. Schritt: Stärken- und Schwächen analysieren. Analyse zu den vorhandenen Angeboten und Maßnahmen zur Gesundheitsförderung für ältere Menschen

5. Schritt: Schulung für Akteure zur Verbesserung der Gesundheitskompetenz und zur Umsetzung von gesundheitsförderlichen Angeboten in der Seniorenarbeit

6. Schritt: Erarbeitung von wünschenswerten Verbesserungen zur Gesundheitsförderung. Vereinbarung einer Prioritätenliste, Umsetzungspläne

7. Schritt: Evaluierung des Prozesses und der Ergebnisse sowie Vereinbarung von weiteren Maßnahmen zur weiteren Verbesserung.

Detaillierte Hintergrundinformationen und eine Anleitung zur Vorgehensweise finden Sie bei den Im Alter IN FORM Qualitätsbausteinen: https://im-alter-inform.de/qualitaetsbausteine/

Bereit für Veränderung?

Der Siebte Altenbericht der Bundesregierung zeigt: Die Unterstützungsstrukturen und Netzwerke für die Betreuung, Versorgung und Pflege älterer Menschen sind in den Kommunen sehr unterschiedlich ausgeprägt. Speziell die Strukturen zur Koordination der Gesundheitsförderung und auch die Bandbreite von zielgruppengerechten Angeboten sind in den Kommunen sehr heterogen. Dies kann verschiedene Ursachen haben und auf unterschiedlichen sozialen, kulturellen, historischen oder wirtschaftlichen Entwicklungen in den Kommunen beruhen.

Ob eine Kommune in der Gesundheitsförderung bereits gut aufgestellt ist oder weniger gut, lässt sich mit dem „Community Change Readiness Model“ (Modell zur Veränderungsbereitschaft von Kommunen) darstellen. Das Modell beschreibt neun verschiedene Stufen der Veränderungsbereitschaft von Kommunen. Anhand dieses Modells wird anschaulich, inwieweit die Gestaltung der Gesundheitsförderung bzw. die Entwicklung von Strategien und Zielsetzungen zur Gesundheitsförderung in einer Kommune bereits vorangebracht wurden oder noch in den Kinderschuhen stecken.

Bei der Entwicklung des Modells wurden anhand empirischer Untersuchungen sechs Dimensionen der Veränderungsbereitschaft von Kommunen herausgearbeitet. Diese beschreiben Schlüsselfaktoren, die großen Einfluss darauf haben, ob eine Kommune vorbereitet ist auf eine Herausforderung zu reagieren.

Die sechs Schlüsselfaktoren sind:

  1. Anstrengungen in der Kommune: In welchem Maße werden für die Gesundheitsförderung Anstrengungen unternommen? Sind Programme und Leitlinien zur Gesundheitsförderung vorhanden?
  2. Wissen der Gemeinde über die Anstrengungen der Kommune: In welchem Maße sind die Bürgerinnen und Bürger über die lokalen Anstrengungen zur Gesundheitsförderung und ihre Wirkungen informiert? Inwieweit stehen entsprechende Informationen allen Menschen zur Verfügung?
  3. Führung: In welchem Maße unterstützen Führungspersönlichkeiten und wirkungsmächtige Personen die Vorhaben zur Gesundheitsförderung?
  4. Klima in der Kommune: Wie lässt sich die vorherrschende Haltung der Menschen in der Kommune zum Thema Gesundheitsförderung beschreiben? Ist eher ein Klima der Ratlosigkeit vorherrschend oder gibt es in der Kommune ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein für Gesundheitsförderung und die Bereitschaft zur Eigenverantwortung?
  5. Das Wissen in der Gemeinde zu dem Thema: In welchem Maße wissen die Bürgerinnen und Bürger etwas über die Ursachen der Probleme im Bereich der Gesundheitsförderung und deren Folgen und Auswirkungen in der Kommune?
  6. Ressourcen zur Gestaltung in dem Themenfeld: In welchem Umfang stehen vor Ort Ressourcen – verantwortliche Akteure, verfügbare Zeit, Geld und Raum –zur Verfügung, um die Entwicklungen in der Gesundheitsförderung zielorientiert zu gestalten?

Der Status in diesen verschiedenen Bereichen ist maßgeblich für eine generelle Einordnung der Kommune in das Neun-Stufen-Modell zur Veränderungsbereitschaft von Kommunen. In der folgenden Grafik sind die neun Stufen der Veränderungsbereitschaft beschrieben.

Methodik des Modells

Im Rahmen des Modells zur Veränderungsbereitschaft von Kommunen wurde ein umfassender Interviewbogen zur Befragung von Stakeholdern und von Bürgerinnen und Bürgern entwickelt. Die Auswertung der Erhebungen ermöglicht eine klare Aussage über den Status der Kommune in Bezug auf die oben genannten Dimensionen.

Die Gesamtbetrachtung aller Dimensionen führt dann zur Feststellung, auf welcher Stufe der Veränderungsbereitschaft die Kommune steht. Auf dieser Basis können gezielt Strategien und Maßnahmen in allen Dimensionen erarbeitet und umgesetzt werden, die die Kommune dann von Stufe zu Stufe zur Verbesserung der Gesundheitsförderung vor Ort führen. So können Strukturen und Angebote etabliert werden, die nachhaltig zur Gesundheitsförderung beitragen.

Das Modell wurde im Rahmen eines Forschungsprojektes zum Thema „Bewegung im Alter“ vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS in Bremen eingesetzt.

Basierend auf der Feststellung auf welcher Stufe des Community Change Readyness Modells die Kommune steht, werden entsprechende Maßnahmen für spezielle Zielgruppen vor Ort entwickelt.

In Kommunen, die auf Stufe 1 oder 2 eingeordnet wurden und die somit ein niedriges Bewußtsein für die Bedeutung der Förderung der Gesundheit älterer Menschen haben, sollte man zunächst dieses Bewußtsein wecken und stärken. Dies kann auf verschiedene Weise gelingen z.B.

  • Ausgewählte Schlüsselpersonen in der Seniorenarbeit sollten von den Fachkräften der Verwaltung und Politik angesprochen und im Rahmen eines Gesprächs über die Bedeutung und die Herausforderugne informiert werden
  • Informationskampagnen in der Lokalpresse mit kommunalen Daten und Statistiken
  • Eine Arbeitsgruppe etablieren für die Gesundheitsförderung ggf. speziell Bewegung oder Ernährung für ältere Menschen
  • Über Ärzte und Apotheken oder andere gesundheitsbezogene Dienstleister ältere Menschen motivieren sich einer neuen “Gesundheitsgruppe” oder neuen Bewegungsgruppe anzuschließen
  • Die Aktivitäten der Gruppe sollte in der Lokalpresse und den sozialen Medien begleitet werden.

Erst wenn Akteure und ältere Menschen ein Bewußtsein für die Bedeutung von Bewegung, gesunder Ernährung und der sozialen Teilhabe für die Erhaltung der Gesundheit entwickelt haben, ist es sinnvoll Maßnahmen zur Förderung der Gesundheit bzw. Angebote für ältere Menschen zu initiieren.

Quelle: Artikel: Promoting community readiness for physical activity among older adults in Germany – protocol of the ready to change intervention trial

Autoren: Tilman Brand1, Dirk Gansefort1, Heinz Rothgang2, Sabine Röseler3, Jochen Meyer4 &  Hajo Zeeb1,5

In: BMC Public Health volume 16, Article number: 99 (2015)

 

BAGSO-Praxishandbuch
Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO): Länger gesund und selbstständig im Alter – aber wie? Potenziale in Kommunen aktivieren. Bonn, 2014.
Website

Arbeitshilfen
Auf der Internetplattform „Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit“ sind umfassende Arbeitshilfen zu verschiedenen Themen der Gesundheitsförderung in der Kommune für alle Zielgruppen veröffentlicht. Die Arbeitshilfen bestehen aus sieben Heften:
Teil 1: Gesunde Lebenswelten schaffen
Teil 2: Probleme erkennen - Lösungen finden
Teil 3: Ein Projekt entwickeln
Teil 4: Präventiv handeln: Ernährung - Bewegung - Stressbewältigung
Teil 5: Erfahrungen nutzen - Qualität stärken
Teil 6: Gesund und aktiv älter werden
Teil 7: Gemeinsam handeln - Chancen verbessern
Website

BZgA-Reader
Qualitätsmanagement in Gesundheitsförderung und Prävention – Grundsätze, Methoden und Anforderungen. Hrsg. von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Köln: BZgA, 2001 (Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung, Bd. 15)
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IN FORM-Leitfaden
Online-Leitfaden zur Qualitätssicherung