Besondere Zugangswege
Ältere Menschen mit besonderen Bedarfen erreichen
Die Gesundheitsförderung älterer Menschen sollte in der Seniorenarbeit einen hohen Stellenwert haben. Zur Erhaltung oder Verbesserung des körperlichen und seelischen Wohlbefindens sollten im Sinne der Gesundheitsziele „Gesund älter werden“ entsprechende Angebote für Seniorinnen und Senioren vorhanden sein.
Die Erfahrungen zeigen jedoch, dass es in manchen Kommunen nicht immer einfach ist, die verschiedenen Zielgruppen älterer Menschen zu erreichen und sie zur Teilnahme an Angeboten zur Gesundheitsförderung zu motivieren. Oftmals fühlen sich ältere Menschen durch schriftliche Einladungen, Flyer oder Veröffentlichungen, die über Angebote zur Gesundheitsförderung informieren, nicht angesprochen oder sie können die Angebote aufgrund von körperlichen oder geistigen Einschränkungen oder individuellen Hemmschwellen nicht wahrnehmen.
Ältere Menschen mit besonderen Bedarfen sollten daher in besonderer Weise angesprochen und motiviert werden, an entsprechend niedrigschwelligen Angeboten der Seniorenarbeit im Wohnumfeld teilzunehmen. Angebote zur Gesundheitsförderung müssen dabei die individuellen Lebenssituationen und Befindlichkeiten älterer Menschen berücksichtigen.
Zum Beispiel von älteren Menschen
- die von der Grundsicherung leben bzw. ein geringes Einkommen haben
- die sich einsam fühlen
- mit geringem Bildungsstand
- mit demenziellen Veränderungen
- die aus anderen Ländern zugewandert sind
- die alleine leben und keine oder nur wenig Unterstützung durch Familienangehörige oder Nachbarn erhalten.
Oftmals sind es mehrere Aspekte der Lebenssituation älterer Menschen, die zu individuellen Hemmschwellen führen und den Zugang zu Angeboten der Seniorenarbeit erschweren. Untersuchungen belegen, dass vulnerable Gruppen von älteren Menschen ein höheres Gesundheitsrisiko tragen. Sie benötigen daher in besonderer Weise Unterstützung, um ihre Gesundheitskompetenz zu verbessern, ihnen einen gesunden Lebensstil zu ermöglichen und sie zu motivieren, an bedarfsgerechten Angeboten sowie sozialen Aktivitäten zur Förderung des Wohlbefindens teilzunehmen bzw. diese Angebote mitzugestalten.
Brücken bauen und Türen öffnen
Im Rahmen des Projekts „Im Alter IN FORM – Potenziale in Kommunen aktivieren“ hat die BAGSO-Geschäftsstelle „Im Alter IN FORM“ die Arbeitshilfe „Wohlbefinden älterer Menschen stärken: Brücken bauen und Türen öffnen zu vulnerablen Personengruppen“ erarbeitet. Die Arbeitshilfe beschreibt besondere Zugangswege zu älteren Menschen mit speziellen Bedarfen und Ansprüchen und erläutert, was bei der Planung von Angeboten und der Information und Ansprache dieser Personengruppen zu berücksichtigen ist.
Um keine Barrieren aufzubauen, sind folgende zentrale Aspekte zu beachten:
- die Vielfalt älterer Menschen
- in persönlichen Lebenssituationen
- mit individuellen Wahrnehmungen und Einstellungen
- mit speziellen Bedarfen und Ansprüchen - im Vorfeld mögliche Hemmschwellen erkennen und überwinden
- verständliche, motivierende Ankündigung der Angebote
- Strategien zur persönlichen Ansprache
- Schlüsselpersonen einbinden - attraktive, bedarfsgerechte Angebote gemeinsam mit der Zielgruppe gestalten
- kostenlose Angebote ermöglichen.
In der Arbeitshilfe wird erläutert, wie niedrigschwellige Angebote für die Zielgruppe der älteren Menschen in Kooperation mit allen Trägern der Seniorenarbeit gestaltet werden können. Darüber hinaus enthält die Arbeitshilfe Anregungen zur erfolgreichen Kontaktaufnahme zu älteren Menschen mit besonderen Bedarfen sowie Hinweise, wie Informationsmaterial ansprechend und für die Zielgruppe verständlich aufbereitet werden kann. Auch die wichtige Rolle von sogenannten „Schlüsselpersonen“ oder „Türöffnern“ wird erläutert. Um ältere Menschen mit besonderen Bedarfen zu erreichen, ist die persönliche Ansprache der wirkungsvollste und erfolgversprechendste Weg.
Wohlbefinden älterer Menschen stärken: Brücken bauen und Türen öffnen zu vulnerablen Personengruppen
Arbeitshilfe Teil I
Angebote niedrigschwellig gestalten
Untersuchungen zeigen, dass Angebote zur Förderung der sozialen Teilhabe, der Bewegung und der ausgewogenen Ernährung oftmals nur von einer begrenzten Gruppe von älteren Menschen wahrgenommen werden. Um auch älteren Menschen mit besonderen Bedarfen die Teilnahme an Angeboten zur Gesundheitsförderung zu ermöglichen, sollten die Veranstaltungen niedrigschwellig geplant und gestaltet werden.
In der Arbeitshilfe „Wohlbefinden älterer Menschen stärken: Angebote niedrigschwellig gestalten“ wird der Begriff „Niedrigschwelligkeit“ näher erläutert. Niedrigschwellig ist ein Angebot, das von älteren Menschen nur geringen Aufwand zu seiner Inanspruchnahme erfordert. Im Bereich der Sozialen Arbeit wird mit Niedrigschwelligkeit eine Vielzahl von räumlichen und sozialen Aspekten abgedeckt. Ob und wann ein Angebot als niedrigschwellig gelten kann, hängt immer auch von der Situation, vom Blickwinkel der betroffenen älteren Menschen und den Akteuren im Bereich der Seniorenarbeit (z.B. Seniorenbeirat, Fachverwaltung, Fachkräfte des Mehrgenerationenhauses etc.) ab. Niedrigschwellige Einrichtungen sollen die Menschen erreichen, die „hochschwellige“ Angebote aus unterschiedlichsten Gründen nicht nutzen wollen oder können.
Beispiele für die Niedrigschwelligkeit eines Angebotes sind:
- Eine Einrichtung sollte räumlich gut erreichbar, also zentral liegen und z.B. behindertengerecht, sein.
- Die Öffnungszeiten einer Einrichtung sollten an den zeitlichen Möglichkeiten der Nutzenden ausgerichtet sein.
- Ein Angebot sollte sich an den tatsächlichen Nutzungsbedürfnissen der Zielgruppe orientieren.
- Ein Dienst sollte in einer Form angeboten werden, die es Menschen ermöglicht, diesen ohne soziale Ausgrenzung und Schamgefühle wahrnehmen zu können.
Bei der Planung von Angeboten, Veranstaltungen oder Interventionen sind die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort dabei ausschlaggebend, ob eine räumliche Niedrigschwelligkeit (gut zu erreichen, im nahen Wohnumfeld, barrierefrei, technische Ausstattung) ermöglicht werden kann. Hinsichtlich der sozialen Niedrigschwelligkeit der Angebote werden die Anforderungen an die Angebote in einer großen Bandbreite variieren müssen, je nach den Personengruppen mit besonderem Bedarf, die hinsichtlich ihrer Bedürfnisse, Ansprüche, Erwartungen, Möglichkeiten bzw. Fähigkeiten, ggf. Einschränkungen sowie Vorwissen und Aufwand für die Teilnahme erreicht werden sollen. Daher ist die Beteiligung dieser Personengruppen bei der Planung von hoher Bedeutung (partizipativer Ansatz zur Einbindung der Dialoggruppen), um mögliche Hemmschwellen von vorneherein zu vermeiden.
Wie Träger und Akteure der Seniorenarbeit niederschwellige Angebote zur Förderung des Wohlbefindens und der Lebensqualität älterer Menschen gestalten können, zeigt eine Übersicht sehr unterschiedlicher Praxisbeispiele. Diese Praxisbeispiele können je nach Personengruppe ausgewählt und fachinhaltlich den besonderen Anforderungen der Teilnehmenden angepasst werden. Bei der Konzeption entsprechender Formate kann man bereits bei der Festlegung der Ziele, Inhalte und Interaktionen den Grad der Niedrigschwelligkeit mehr oder weniger stark festlegen.
Es wurden vier Kategorien von Praxisbeispielen gewählt:
Im Bereich Soziale Teilhabe fördern werden in der Übersicht Angebote aufgeführt unter den Aspekten:
- Förderung der Geselligkeit
- Kultur erleben und gestalten
- Mitgestalten von Angeboten
- Allgemeine oder fachliche Informationen
Im Bereich Bewegung fördern werden Beispiele aufgeführt für:
- Bewegung in soziale Angebote integrieren
- Bewegung im Außenbereich
- Bewegung im Innenbereich
Im Bereich Essen und Trinken werden Beispiele aufgeführt für:
- Gemeinsam Kochen und/oder Essen
Der vierte Bereich umfasst Praxisbeispiele für unterstützende Angebote und Dienstleistungen.
Wohlbefinden älterer Menschen stärken: Angebote niedrigschwellig gestalten
Arbeitshilfe Teil II
Gesundheitsförderung älterer Menschen mit Migrationshintergrund
Es gibt bereits eine Vielfalt an Erfahrungen von Trägern und Verantwortlichen der Seniorenarbeit, die auf kommunaler Ebene Angebote für ältere Migrantinnen und Migranten durchführen. Jedoch besteht ein wachsender Bedarf an Unterstützungsangeboten speziell zur Förderung ihrer Gesundheit. Verantwortliche in der Seniorenarbeit müssen mit Vertreterinnen und Vertretern der Zielgruppen attraktive Angebote initiieren und Brücken zur Zielgruppe der älteren Migrantinnen und Migranten bauen. In dieser Handreichung werden, basierend auf den Erkenntnissen eines Workshops mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis sowie vorhandener Fachliteratur und Erfahrungsberichte, spezielle Aspekte der Gesundheitsförderung älterer Menschen mit Migrationshintergrund aufgezeigt und Anregungen für die Praxis dargestellt.
Zielsetzungen dieser Handreichung sind,
- Impulse zu geben für die Gesundheitsförderung älterer Menschen mit Migrationshintergrund,
- für die Dringlichkeit des Themas Gesundheitsförderung älterer zugewanderter Menschen zu sensibilisieren,
- zur Förderung der Teilhabe älterer Migrantinnen und Migranten zu motivieren,
- die Einbindung von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte als Akteure voranzubringen,
- Hinweise aufzuzeigen, was bei der Gesundheitsförderung von älteren Migrantinnen und Migranten beachtet werden sollte,
- Hilfestellung zu bieten zum Auf- und Ausbau von gesundheitsfördernden Angeboten in Kooperation mit Partnern sowie Ehren- und Hauptamtlichen vor Ort,
- eine Argumentationshilfe bereitzustellen zur Überzeugung von Verantwortlichen in der Seniorenarbeit.
Die Anzahl älterer Menschen mit Zuwanderungsgeschichte wird in den nächsten Jahren deutlich zunehmen. Sie haben ebenso Anspruch auf Förderung ihres Wohlbefindens und ihrer Lebensqualität wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger in den Kommunen. Allerdings werden sie von entsprechenden Angeboten weitaus seltener erreicht als ältere Menschen ohne Migrationshintergrund. Grund hierfür ist nicht ein geringerer Bedarf. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Ältere Eingewanderte sind überdurchschnittlich häufig von gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Gefährdungen betroffen, sodass sie in besonderer Weise auf Maßnahmen der Gesundheitsförderung angewiesen sind und in hohem Maße davon profitieren könnten. Die Gründe für die bislang geringe Inanspruchnahme sind vielfältig. Sie hängen sowohl mit biografischen und aktuellen Erfahrungen und Lebensbedingungen zusammen, die häufig durch Benachteiligungen und Diskriminierung geprägt sind, als auch mit Angeboten, die die kulturellen und sozialen Bedürfnisse und Prägungen vieler älterer Migrantinnen und Migranten nicht angemessen berücksichtigen. Kommunen, Verantwortliche und Akteure sind damit gefordert, auf eine gleichberechtigte Teilhabe von älteren Bürgerinnen und Bürgern mit Migrationshintergrund im Bereich der Gesundheitsförderung hinzuwirken.
Gesundheitsförderung mit älteren Migrantinnen und Migranten gestalten
Handreichung für Verantwortliche in der Seniorenarbeit auf kommunaler Ebene