Gesundheitskompetenz

Eine wesentliche Determinante der Gesundheit

Mit zunehmender Komplexität der Gesellschaften und der Überflutung der Bevölkerung mit Informationen wie auch Desinformationen zum Thema Gesundheit wird Gesundheitskompetenz immer wichtiger. Gesundheitskompetenz führt zu mehr Gesundheit und Wohlbefinden. Mangelnde Gesundheitskompetenz begünstigt Risikoverhalten und führt zu weniger Gesundheit. Neben den sozialen Gesundheitsdeterminanten ist Gesundheitskompetenz eine weitere wichtige Determinante der Gesundheit.

Definition

„Gesundheitskompetenz ist verknüpft mit Bildung und umfasst das Wissen, die Motivation und die Kompetenzen von Menschen in Bezug darauf, relevante Gesundheitsinformationen in unterschiedlicher Form zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden, um im Alltag in den Bereichen der Krankheitsbewältigung, der Krankheitsprävention und der Gesundheitsförderung Urteile fällen und Entscheidungen treffen zu können, welche die Lebensqualität im gesamten Lebensverlauf erhalten oder verbessern.“

(WHO-Bericht Health Literacy: The Solid Facts)

Gesundheitskompetenz: Die Fakten. Hrsg. von Ilona Kickbusch, Jürgen Pelikan, Jörg Haslbeck, Franklin Apfel und Agis D. Tsouros. Zürich: Careum Stiftung, 2016. Deutsche Fassung der WHO-Berichts Health Literacy: The Solid Facts. WHO Regionalbüro für Europa, 2013
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Die Publikation „Gesundheitskompetenz: Die Fakten“ bündelt das aktuelle Wissen zum Thema Gesundheitskompetenz.

Gesundheitskompetenz ist ein gesamtgesellschaftliches Thema

Gesundheitskompetenz fällt nicht nur in die Verantwortung des Einzelnen oder von politischen Entscheidungsträgern oder Fachkräften im Gesundheitssektor. Viele Akteure müssen beteiligt werden. Die folgende Grafik verdeutlicht die Wechselbeziehungen unter den Akteuren, die sich gesellschaftlich für die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung engagieren:

Quelle: WHO-Bericht Health Literacy: The Solid Facts. Grafik in Anlehnung an: W. Mitic, I. Rootman: An intersectoral approach for improving health literacy for Canada; a discussion paper. Vancouver, Public Health Association of British Columbia, 2012.

Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz

„Eine gute Gesundheitskompetenz trägt dazu bei, dass Menschen im Alltag gesund leben, ihre Gesundheit erhalten und sich im Krankheitsfall die richtige Hilfe holen. Sie ist zugleich der Schlüssel für eine hohe Lebensqualität.“ Dies geht aus dem Nationalen Aktionsplan Gesundheitskompetenz hervor.

Basierend auf Untersuchungen der Gesundheitskompetenz in Deutschland wurde der Nationale Aktionsplan Gesundheitskompetenz von einer Gruppe von Wissenschaftlern und Praktikern entwickelt und ausgiebig mit Repräsentanten aus Politik und Gesellschaft, Angehörigen der unterschiedlichen Gesundheitsberufe, Vertretern von zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie Patienten- und Bürgervertretern diskutiert und im Jahre 2018 veröffentlicht.

Doris Schaeffer, Klaus Hurrelmann, Ullrich Bauer, Kai Kolpatzi (Hrsg.): Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz. Die Gesundheitskompetenz in Deutschland stärken. Berlin: KomPart, 2018.
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Warum ist Gesundheitskompetenz erforderlich?

Gesundheitskompetenz ist erforderlich, um dem Zuwachs an Entscheidungsmöglichkeiten und den gestiegenen Anforderungen an die Entscheidungsverantwortung in modernen Gesellschaften entsprechen zu können. Denn in allen Alltagsbereichen und Lebenswelten hat die Entscheidungsverantwortung deutlich zugenommen, sei es im Gesundheitsbereich oder am Arbeitsplatz, im Freizeit- und Konsumbereich, bei der Nutzung der Medien oder im Bereich der Politik.

Der Nationale Aktionsplan Gesundheitskompetenz dient Verantwortlichen in Politik und Praxis als wissenschaftlicher Leitfaden. Der Aktionsplan zeigt, wie die Gesundheitskompetenz in unserem Land gestärkt werden kann. Dabei geht es um Bildung und Erziehung, um Verbraucherverhalten und Ernährung, um Wohnen und Arbeiten, um den Umgang mit Medien, aber auch um mehr Verständlichkeit im Austausch zwischen Ärzten und ihren Patienten.

Warum wird Gesundheitskompetenz immer wichtiger?

Ganz unterschiedliche gesellschaftliche Entwicklungen führen dazu, dass Gesundheitskompetenz zunehmend an Bedeutung gewinnt. Welche Herausforderungen sich bei der Förderung von Gesundheitskompetenz stellen, veranschaulicht die folgende Grafik:

Die einzelnen Herausforderungen sind im Nationalen Aktionsplan (Seite 17 ff.) erläutert.

Wie kann Gesundheitskompetenz gefördert werden?

Eine zentrale Forderung des Nationalen Aktionsplans ist die Förderung der Gesundheitskompetenz in allen Lebenswelten, also auch in den Lebenswelten der älteren Menschen. Der Aktionsplan hebt hervor, dass zwei Drittel der älteren Bevölkerung in Deutschland eine eingeschränkte Gesundheitskompetenz haben, und verweist in diesem Zusammenhang auf die Lebenssituation und Lebenslagen älterer Menschen. Besonders in der persönlichen Lebensumwelt und im Alltagsleben sollte die Gesundheitskompetenz gefördert werden, da sie wesentlich durch die dort vorgefundenen Bedingungen geprägt wird.

In allen Bereichen der Seniorenarbeit können Beiträge zur Förderung der Gesundheitskompetenz geleistet werden.

Gesundheitskompetenz im Lebensumfeld älterer Menschen vermitteln

Aus der deutschlandweiten Erhebung zur Gesundheitskompetenz der Bevölkerung geht hervor, dass es den Befragten besonders schwer fällt, Informationen zur Prävention und Gesundheitsförderung und zur gesundheitsgerechten Gestaltung ihrer alltäglichen Lebenswelten zu finden, sie zu verstehen, richtig einzuschätzen und auf ihre persönliche Situation zu beziehen.

Folglich ist es wichtig, die Bedingungen im unmittelbaren Umfeld älterer Menschen so zu gestalten, dass ihnen in ihrem Alltag Informationen gut zugänglich sind und sie Anreize haben, sich gesundheitsförderlich zu verhalten und Gesundheitsentscheidungen sinnvoll zu fällen.

Für die Verantwortlichen und Akteure in der Seniorenarbeit, das heißt für die Zielgruppe der älteren Menschen, sind insbesondere folgende Empfehlungen des Nationalen Aktionsplanes zu beachten:

Die Gesundheitskompetenz im Umgang mit Konsum- und Ernährungsangeboten stärken

(Empfehlung 3 des Nationalen Aktionsplans)

Warum ist das wichtig?

Die Freizeit-, Konsum- und Nahrungsmittelindustrie bietet heute eine derart große Fülle an Produkten und Dienstleistungen an, dass es für Konsumenten immer schwieriger wird, deren Wirkungen zu bewerten und richtige Entscheidungen für eine gesunde Lebensweise zu treffen. Der kompetente Umgang mit Nahrungs- und Genussmitteln ebenso wie ein anregendes und entspannendes Freizeitverhalten verlangen nach verlässlicher Information. Diese kann aus den heute zur Verfügung gestellten Produktangaben der Hersteller oft nicht abgeleitet werden, weil in sie einseitige Werbebotschaften und andere irreführende Sachverhalte eingehen.

Den Umgang mit Gesundheitsinformationen in den Medien erleichtern

(Empfehlung 4 des Nationalen Aktionsplans)

Warum ist das wichtig?

Gesundheitsinformationen werden in immer größerem Maße über Massenmedien verbreitet. Die Nutzer sehen sich dort aber mit sehr vielen, oft widersprüchlichen und interessengeleiteten Informationen konfrontiert, deren Herkunft und Qualität sie vielfach nur schwer oder gar nicht einschätzen können. Nicht nur die Beurteilung, auch das Finden geeigneter und verständlicher Information in den Medien bereitet vielen Menschen Schwierigkeiten. Das gilt auch für gesundheitsbezogene und medizinische Apps. Bislang gibt es kaum Möglichkeiten, sich einen Überblick über diese Angebote zu verschaffen oder deren Qualität einzuschätzen.

Was ist zu tun?

  • Die Medienkompetenz und die kritische Urteilsfähigkeit der Bevölkerung im Umgang mit digitalen Gesundheitsinformationen fördern, zum Beispiel durch systematische Aufklärungskampagnen zur Nutzung von sozialen Netzwerken und Gesundheits-Apps

  • Den Zugang zu audiovisuellen Gesundheitsinformationen vereinfachen und deren Verfügbarkeit verbessern, zum Beispiel durch die Beseitigung bestehender Löschpflichten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bei Gesundheitsinformationen und die dauerhafte Bereitstellung dieser Informationen in ihren jeweiligen Mediatheken

  • Transparenz über das Angebot und die Qualität digitaler Gesundheitsanwendungen schaffen und Angehörige aller Gesundheitsprofessionen dazu befähigen, qualitätsgesicherte analoge und digitale Gesundheitsinformation zu empfehlen

Die Kommunen befähigen, in den Wohnumfeldern die Gesundheitskompetenz ihrer Bewohner zu stärken

(Empfehlung 5 des Nationalen Aktionsplans)

Warum ist das wichtig?

Die Kommunen sind die kleinste politisch-administrative Einheit in Deutschland. Sie sind die zentralen Orte für sozialen Zusammenhalt und Zugehörigkeit und bilden den geografischen Lebensmittelpunkt für praktisch alle Bürger. Sie tragen die maßgebliche Verantwortung für die Daseinsvorsorge: Die Kommunen koordinieren sektorenübergreifend die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Dienstleistungen für alle Einwohner, von den Erziehungs- und Bildungsinstitutionen über die Einrichtungen zur Familien-, Jugend- und Sozialarbeit, die Institutionen zum Umwelt- und Verbraucherschutz, die Freizeit-, Gesundheits- und Senioreneinrichtungen bis hin zum Städtebau und zur Städteplanung. Aufgrund dieser weitreichenden Aufgaben und Möglichkeiten kommt ihnen eine Schlüsselrolle zu, um die Gesundheitskompetenz ihrer Bewohner zu fördern und wohnortnah gut erreichbare Angebote zur Verbesserung der Gesundheitsinformation zu machen.

Was ist zu tun?

  • In Kooperation mit Bildungsinstitutionen, Wohlfahrtsverbänden, Sportvereinen, Fitness-Studios, Bürgerinitiativen und Selbsthilfegruppen attraktive Veranstaltungen, wie zum Beispiel Ausstellungen, Messen und Aktionstage, entwickeln, um gesundheitliche Probleme im Wohnquartier zu diskutieren

  • Über Prämien und öffentliche Auszeichnungen Anreize schaffen, um Restaurants, Cafés und Einkaufsläden, aber auch Freizeiteinrichtungen, Sportvereine, Beratungsstellen und Glaubensgemeinschaften zu motivieren, Aktionen zur Stärkung der Gesundheitskompetenz durchzuführen

  • Die Sicherung der Gesundheitskompetenz in Projekte des Quartiersmanagements, des Programms „Soziale Stadt“, in kommunale Projekte im Rahmen des Präventionsgesetzes sowie des Netzwerks „Gesunde Städte“ integrieren und Anlaufstellen für Gesundheitsinformationen („Gesundheitskioske“) schaffen

  • Ressourcen für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) bereitstellen, um gezielt Daten zur Gesundheitslage und Gesundheitskompetenz in der Kommune erheben und unter Beteiligung der Bürger Maßnahmen zur Förderung der Gesundheitskompetenz entwickeln zu können.

Welche Akteure sind für die Umsetzung dieser Empfehlungen gefragt?

  • Staatliche Institutionen und Gesetzgeber
  • Träger von Kindertagesstätten, Schulen, Einrichtungen der Erwachsenenbildung und anderen Bildungseinrichtungen sowie die in diesen Einrichtungen tätigen Professionen
  • Gemeinnützige und gewerbliche Unternehmen und Betriebe
  • Verbände der Freien Wohlfahrtspflege
  • Vereine
  • Selbsthilfegruppen
  • Kommunen
  • Medien
  • Journalisten
  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)

IN FORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung fördert in allen Lebenswelten die Gesundheitskompetenz in den Bereichen ausgewogene Ernährung und Bewegung. Auf der Internetseite von IN FORM finden Sie dazu umfassende Materialien.